Begleiterkrankungen und Folgen

ADHS tritt in den seltensten Fällen alleine auf. Bei bis zu 85 Prozent der Betroffenen besteht eine zusätzliche (komorbide) psychische Erkrankung. Diese unterscheidet sich je nach Alter und wird daher getrennt für das Kindesalter sowie für das Jugend- und Erwachsenenalter dargestellt.

Häufige Begleiterkrankungen im Kindesalter

Bei etwa der Hälfte der Kinder mit ADHS liegt zusätzlich eine oppositionelle Störung des Sozialverhaltens vor. Etwas weniger häufig (30 bis 50 Prozent) tritt die stärker ausgeprägte Störung des Sozialverhaltens (SSV) auf. Diese ist gekennzeichnet durch ein wiederholendes und andauerndes Muster dissozialen, aggressiven oder aufsässigen Verhaltens. Tritt eine SSV zusammen mit einer ADHS auf, spricht man von einer Hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens.

Angststörungen können bei circa 25 Prozent zusammen mit einer ADHS auftreten, depressive Störungen etwas weniger häufig (15 bis 20 Prozent). Beide Störungen entstehen oft erst in Folge einer ADHS bedingt durch Schulversagen, zunehmenden Schwierigkeiten mit Gleichaltrigen und damit einhergehendem geringem Selbstbewusstsein.

Weitere Begleiterkrankungen, die bei einer ADHS komorbid auftreten können, sind umschriebeneLernstörungen (10 bis 25 Prozent, wie Lese-Rechtschreib-Störungen (LRS), isolierte Rechenstörungen oder Sprachentwicklungsstörungen. Populationsstudien zeigten außerdem, dass Entwicklungsstörungen fünf bis zehnmal häufiger bei Kindern mit ADHS auftreten als bei anderen Gleichaltrigen.

Hinzu kommt eine deutliche Verzögerung im Erreichen der motorischen Meilensteine, weshalb oft zusätzlich die Kriterien für eine Umschriebene Entwicklungsstörung motorischer Funktionen erfüllt sind. Ebenso sind auch Schwierigkeiten in sensomotorischen Bereichen, wie einer undeutlichen Handschrift, Unbeholfenheit in der Feinmotorik, sowie ein schlechteres Abschneiden in sportlichen Bereichen bei Kindern mit ADHS nicht selten.

Eine weitere Begleiterkrankung ist die Tic-Störung, von der 30 Prozent der Kinder mit ADHS betroffen sind. Häufig wird auch von Ein- und Durchschlafschwierigkeiten berichtet. Noch nicht abschließend geklärt ist ein eventueller Zusammenhang zwischen ADHS und Allergien (Asthma, Neurodermitis, Heuschnupfen, Nesselsucht).

Neu ist, dass eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum-Kreis zusätzlich zu einer ADHS vergeben werden kann, da immer mehr Studien gezeigt haben, dass beide Störungsbilder einen gemeinsamen Teil an genetischer Varianz teilen und diese Kombination auch im klinischen Alltag häufig beobachtet werden konnte.

Häufige Begleiterkrankungen im Jugend- und Erwachsenenalter

Mit zunehmendem Alter verringert sich die bisher häufigste Komorbidität SSV immer mehr, sodass im Erwachsenenalter bei höchstens 25 Prozent der Kinder mit einer SSV noch Delinquenz oder Antisozialität in Form der antisozialen Persönlichkeit besteht.

Häufiger hingegen treten Substanzabhängigkeiten im Sinne von Rauchen oder dem Konsumieren von anderen Drogen auf, meist in Verbindung mit einer SSV. Studien haben gezeigt, dass Jugendliche mit ADHS früher mit dem Rauchen beginnen und insgesamt auch mehr Tabak als andere Gleichaltrige konsumieren.

Im Erwachsenenalter besteht eine erhöhte Rate an Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit sowie umgekehrt viele mit einer Suchterkrankung auch vermehrt eine ADHS aufweisen. Dabei zeigte sich, dass eine medikamentöse Behandlung mit Stimulanzien das Risiko einer Substanzabhängigkeit sogar reduziert.

Das Auftreten von affektiven Störungen, wie zum Beispiel Depressionen, zusammen mit einer ADHS schwankt sehr stark. Umgekehrt weiß man, dass bei unipolaren Depressionen in 7,6 Prozent der Fälle zusätzlich eine ADHS vorliegt, bei bipolaren affektiven Störungen in 6 Prozent.

Essstörungen können im Erwachsenenalter auch vermehrt mit einer ADHS auftreten. Neueste Studien fanden außerdem einen Zusammenhang zwischen ADHS und Adipositas.

Lebensqualität

Betrachtet man die Vielfältigkeit der Symptome einer ADHS sowie deren mögliche Begleiterkrankungen, so ist klar, dass damit einhergehend auch die unterschiedlichsten Schwierigkeiten im Alltag auftreten können.

Kinder weisen dabei häufig Probleme in der Schule auf, haben öfter Teilleiststungsstörungen, und schneiden generell schlechter in der Schule ab und zwar unabhängig von ihren intellektuellen Fähigkeiten. Ebenso treten vermehrt familiäre Schwierigkeiten auf sowie generelle Probleme mit Gleichaltrigen. Studien konnten zeigen, dass Erwachsene mit ADHS später mehr Auseinandersetzungen mit ihren Vorgesetzten im Job haben, ein geringeres Einkommen aufweisen sowie einen generell niedrigeren sozioökonomischen Status innehaben und zu häufigeren Verkehrsunfällen neigen.

Somit geht mit den genannten Einschränkungen oft auch eine Beeinträchtigung in der Lebensqualität einher, die besonders im psychosozialen Bereich, im Familienleben oder der Leistungsfähigkeit sichtbar wird.

Umso wichtiger wird eine frühzeitige Erkennung, Diagnosestellung und Therapie einer ADHS, damit die genannten Folgen gemindert oder sogar ganz vermieden werden können. Aufgrund der Vielfältigkeit der möglichen Probleme ist daher eine individuell angepasste Therapie der Betroffenen am hilfreichsten.